#009 Vom müssen müssen

Hannas Blog Beitrag #4

Ein Wort, das jeder kennt. »Müssen.« Es beschreibt mehr oder weniger den Drang, etwas zu tun, was unausweichlich scheint. Der Toilettenbesuch ist ein Paradebeispiel dafür. »Ich muss mal …« fünflagiges Papier, eine Zeitung und etwas Zeit. Zack, schon ist der »Muss« erledigt. Gut, dann wenden wir uns dem Thema des: Müssen zu. Die Alltagspracht im Wettlauf mit der Zeit, die immer nur die Zeit gewinnt, scheint so verspiegelt zu sein, dass das »Muss« kaum noch notiert wird. Jeder muss noch rasch und wenn es nur die Oma ist, die schnell an der Kasse vorbeimuss, weil ihre Zeit scheinbar schneller vergeht, als für den Rest der Menschen, die artig anstehen. Dann kommt gleich noch ein Telefonat auf, ja du kennst es, mit einem Freund, der mehr als vierzig Jahre gekannt ist. Er spricht vom selben Phänomen. Ihm fällt bald die Krone aus dem Mund, weil auch sein Alltag mit dem, was er »muss« regelrecht versiegelt ist. Er berichtet frei heraus, dass er kaum noch tun kann, was er möchte, weil das Wort, du weißt, was gemeint ist, mit der Muse nichts am Hut hat. Die Welt, in der er sich befindet, hat einen Plan für ihn, den er stringent und gehorsam abzuarbeiten hat. Jeden Tag aufs Neue. Vor allem mit dem Immergleichen. Oh, da ist das andere, was schon einmal begegnet ist. Ihr scheint wohl eineiige Zwillinge zu sein, nicht wahr? Jedenfalls ist das, was »Muss« und es mag gar nicht so oft ausgesprochen werden, der inflationären Art wegen, oder hat es dann doch die Macht, an etwas zu erinnern? Genau. Dir wird es wahrscheinlich ebenfalls so ergehen. Du musst den lieben langen Tag etwas tun, was dir scheinbar aufgetragen wird. Du hast aber nicht die Macht, es ändern zu können, weil du mal musst. Jetzt zwängt der Blick aus dem Mikroskopischen des Telefonates in das Makroskopische, gleichsam in das Übergeordnete hinein, um von dem Einen auf die Gesamtansicht zu wechseln. Schon wuselt es wie auf einem Kopf voller Läuse. So Unrecht hatte der Mann vom Telefonat mit seiner beschränkten Empfindung gar nicht. Denn es scheint den meisten Menschen ebenfalls so zu ergehen. Nur um es erwähnt zu haben, es geht um den deutschsprachigen Raum. Nicht um Chillibilly zur Siesta, weil auf dem Schild ohnehin etwas, wenn auch durch die Sonne vergilbt, von »Geschlossen« steht. Die Chillibillys scheinen mehr Zeit zu haben als das, was Deutsch spricht. Wenn dem so ist, gehen die Uhren, gerade für die Deutschen, schneller als für den Rest der Welt. Die scheinen auch nichts zu müssen. Nur der Deutsche muss mal eben schnell noch einen Kaffee trinken. »Kaffee to go«, zum Mitnehmen, selbstverständlich. Er muss doch schließlich weiter.
Dabei wäre das so einfach wie beim Autofahren. Gang herausnehmen, sachte abbremsen und in die freie Parklücke rollen. Aussteigen, dehnen und einen Überblick verschaffen, nicht dass das »Muss« überfahren wurde. Nein. Glück gehabt. Also jetzt umschauen und beobachten. Ja, wo sind sie denn alle? Laut rufen soll helfen. Lauschen … kein Echo, nichts. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um verdutzt dreinzuschauen, vielleicht verlegen zu lächeln. Denn wahrscheinlich kommt der Funke, nicht, der den Wald in Brand setzt, nein, der eine Erkenntnis entlockt. Alle anderen sind dem Müssen verfallen und rennen um ihr Leben. Jetzt, wo der Gang herausgenommen ist, keimt auf, dass das ganze Geschrei nur ein Furz im Hirn, in den Gedanken ist, mehr nicht. Die Welt dreht sich weiter, auch wenn der Gang herausgenommen ist. Seltsam, nicht wahr? Dann kommt Chillibilly um die Ecke, schiebt mit den Daumen seinen Sonnenhut nach oben, zwinkert dir zu, lächelt schelmisch und holt sich einen Kaffee. Dann wirst du es wahrnehmen, du musst mal auf die Toilette, stehst aber im Nirwana, in einer Parklücke, weil das Deutsche das so tut, auch wenn sein Auto das Einzige ist, was in acht Stunden die Straße nutzt. Blöd ist nur, dass in dieser Betonwüste jeder aus dem Fenster zu glotzen scheint, du dich schämst und furchtbar musst, Chillibilly deine Sprache nicht spricht und sowieso verschwunden ist. Und das alles, weil das Deutschsprachige meint, etwas müssen zu müssen.

Einen Scheiß musst du!

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